Äußere Hebriden, Teil 2: Die Uists Keine Bilder? Webversion Liebe Freunde und Partner des redACtionsbureaus,so nass, wie es an jenem letzten Abend auf Harris begann, ging es weiter. Der Fährhafen von Leverburgh war in jener Nacht im Wasser versunken. Wir verließen die Bar des Fischrestaurants erst sehr spät. Viele Gäste waren in den tiefen Sesseln des behaglichen Pubs kleben geblieben. Einheimische flogen herein und stemmten sich nach einem schnellen Pint wieder gegen die zugige Tür und hinaus in die Finsternis, um sogleich vom Sturm verschluckt zu werden und für immer im Dunkel zu verschwinden. Wir gehörten zu den letzten, die gingen, liefen durch peitschenden Wind zurück zum Auto und schlugen die Tür hinter uns zu. Ergeben schliefen wir bis in den grauen Morgen, behaglich unter unserem sicheren Dach und dem Trommeln des nicht enden wollenden Regens. Morgens um 9 dann rollten wir mit einem schlierigen Vorhang aus strömendem Wasser auf der Frontscheibe auf das offene Deck der kleinen Fähre. Lest in unserem zweiten Reisebericht von den Äußeren Hebriden, wie es uns auf den Uists erging. Erste Bildergalerien stehen im Web. Wir melden uns dann wieder von den letzten beiden Inseln, Barra und Vatersay, dem formidablen Endstück der keltischen Landbrücke und seinem wunderbaren Appendix. Bis die letzten Tage und herzliche Grüße! Sigrid Schusser & Heinz Bück Noch eines vorab: Vormerken und vorbeikommen!Im kommenden Oktober stehen zwei tolle Events auf dem Programm. Die Ausnahmeband des Irish Folk Doolin' ist am 6.10. wieder in Aachen. Ende Oktober am 21.10. steht mit dem SAT in Wietzendorf das Szenetreffen der Reisemobilisten an. Seh´n wir uns? Unsere Bildergalerien führen an den Ärmelkanal, an die Irische See und zum Nordatlantik. Kommt gerne mit! Dieses Jahr ist es der Oktober, dieses Mal ist es ein Freitag und an diesem 6.10. ist es der Konzertsaal der Katholischen Hochschulgemeinde, den die franszösische Kultband des Irish Folk Doolin' aus den Fugen hebt. Anlassgemäß führt die virtuelle Bilderreise von The Celtic Ways um die Grüne Insel. Uns erwartet ein grandioses Konzert. Jetzt anmelden und Karten vorbestellen. Am 21. Oktober 2017 lädt Reisemobil International zum SAT in die Lüneburger Heide. Heinz Bück und Sigrid Schusser präsentieren um 14.00 Uhr im Festzelt des Südsee-Camps Wietzendorf ihre zweiteilige Multimediashow: „The Celtic Ways“. Sie entführen ihr Publikum diesmal über die Kanalinseln nach Südengland und über Wales hinüber nach Irland und Nordirland. Kommt vorbei! Äußere Hebriden, Teil 2: die Uists Aus gelbem nassen Ölzeug griffen zwei Hände durch das Seitenfenster nach unseren Tickets. Aus der tief gezogenen Kapuze kam ein knappes Thank you. Der triefende Bootsmann winkte uns in eine der markierten Fahrspuren. Ringsum auf den stählernen Riffelblechen des grün gestrichenen Fahrdecks sprangen Tropfen hoch auf, als wollten sie zurück in die alles bedeckende braungraue Wasserblase über uns. Erst auf See legte sich der Regen. Doch auf dem entschwindenden Land lastete noch immer ein dampfender Himmel. Nieselieger Dunst hing an den Bergen von Harris, die das schlingernde Boot schnell hinter sich ließ. Das versunkene MarschlandIn mäandrierender Fahrt glitt die Fähre durch den Parcours der grün-roten Fahrwasserbetonnung, entlang der Untiefen und Sandbänke über das versunkene Marschland, das vor 8000 Jahren nach der letzten Eiszeit im Schmelzwasser der neuen Warmzeit ertrank und das nun der schwellende Sund of Harris bedeckt. Infolge des Klimawandels wird er mit steigendem Meeresspiegel auch die hinter uns liegende schmale Landverbindung bei Tarbert überspülen und South Harris von der Inselgruppe für immer abtrennen. Im Gälischen bezeichnen die Ortsnamen oft lebende Landschaften, vereinen Geografie und praktischen Nutzen. „An Tairbeart“ etwa meint nicht nur den Isthmus, also den schmalsten Grad einer beidseits vom Meer umspülten Landenge, sondern auch die Furt, die „Überquerung“ im seichten oder trocken fallenden Gewässer. Auf lange Sicht jedoch sind die vielen Tarberts dieser Region ihrem Untergang näher als irgendeinem Übergang. Hinüber auf die UistsDas Boot strebte immer weiter hinaus in den Sund. Robben auf schmalen Felsgraten blickten auf, schnäuzten sich und schauten uns über die Schulter gelangweilt nach, inmitten eines von Inseln und Riffen zerrissenen Teppichs aus Gischt und lang laufenden Wellen, die der Wind vor sich her blies, als wolle er die See unter dem düsteren bleiernen Himmel in Falten legen wie einen Kilt, einen flatternden Tartan in Anthrazit, Weiß, Grün und Grau. Die Wolkendecke riss zwar langsam auf, je weiter wir durch den Sund of Harris nach Süden schlingerten, und sogar Sonne blinzelte zuweilen schläfrig in den kühlen Tag. Doch schauerartige Wolkenbrüche bei der Anlandung in Berneray verhießen weiterhin unstetes Wetter. Ja, es blieb wechselhaft atlantisch, voller Regenbögen und Sonnenschauer, mit dramatischen Wolkenspektakeln in allen Schattierungen von Blau, bis ans Ende der fahrbaren Landbrücke, bis zum letzten Tag, an dem wir über die Insel Eriskay die Uists verließen und die Fähre nach Barra und Vatersay nahmen: endlich voll die pralle Sonne. Landmarken auf den Uists für eigene Touren und Zeitreisen Auch sie sind heute zweisprachig. Im schottischen Gälisch die „Uibhist“ genannt, auf Englisch die „Uists“, verlängern die mittleren Inseln der Äußeren Hebriden die keltische Landbrücke auf einer Nord-Südachse. Von North Uist mit Berneray und Benbecula bis South Uist mit Eriskay koppeln inzwischen Dämme die Inseln und zwingen die Otter, zum Fotoshooting aus dem Wasser zu steigen und die Fahrbahn zu überqueren. Denn in der Mitte der Landbrücke verläuft die A865, ein horizontal und vertikal verwundener Bandwurm aus Asphalt. Das Fahrdeck schlängelt sich über die Dämme und teilt die Geographie des Archipels in rechts und links: in eine dünengesäumte fruchtbare Marschlandschaft mit schneeweißen Stränden im Westen und in eine von Seen und Mooren zersetzte, sumpfige Berg- und Hügellandschaft im Osten. Deren höchste Erhebung ist Beinn Mhor, mit 620 Metern wahrhaft der „Große Berg“. Von seiner Spitze sind draußen im Westen am Rande der Welt die Inseln von St. Kilda zu erahnen und fast genau 180 Grad gegenüber im Osten die Cuillin Hills auf der Insel Skye ausmachen. Von der Bronze- in die Eisenzeit In jenem verschlungenen Inselkosmos der Äußeren und Inneren Hebriden, der Western und Southern Isles, fanden die nomadisierenen Stämme der frühen menschlichen Siedler schon vor 6000 Jahren, in der Steinzeit, dem Megalithikum, ideale Bedingungen. Machair ist das gälische Wort für seinen fruchtbaren Boden aus Kalk und Torf, der eine üppige, blü hende Vegetation begünstigt. In diesem amphibischen Land, das Muscheln und Napfschnecken schenkt und Beeren und Nüsse, das Fisch und Fleisch kennt, wurden sie in Familienverbänden sesshaft, als Fischer und Farmer. Die Trockenmauern der schutzhaften „Duns“, als flache Rundbauten auf den kleinen Inseln der Lochs angelegt, und die Ruinen der erhabenen „Brochs“, befestigter Rundtürme auf den meeresnahen Hügeln, bezeugen die weite Verbreitung der frühen Siedler auf den Inseln: vom Küstensaum bis ins Binnenland, von der Bronze- bis in die Eisenzeit und weit darüber hinaus. Von Jägern und Sammlern zu Profiteuren Von Pikten und Scoten besetzt, von irischen Wandermönchen christianisiert und von Wikingern anfangs des zehnten Jahrhunderts erobert, beschleunigte sich der Wechsel der Herrschaft und der kulturelle Wandel von Jahrtausenden und Jahrhunderten zu Jahrzehnten. Von der Hochkultur der Atlantiker zum Kingdom of the Isles, das unter den MacDonalds Teile des heutigen Nordirland und der Isle of Man mit einbezog. Von den schottischen Clans bis zu den englischen Landlords, die nach dem Untergang der Stewards die neuen Herren wurden. Sie vertrieben während der unmenschlichen „Säuberungsaktionen“ im 19. Jahrhundert, der sogenannten Clearances, die ansässigen schottischen Crofter gewaltsam aus ihren angestammten Häusern und Dorfgemeinschaften und jagten sie rücksichtslos von ihrem seit Generationen gepachteten Land. Viele wurden sogar nach Amerika zwangsverschifft, von installierten Landbesitzern, die nun Schafzucht auf „ihrem Land“ betreiben wollten, das sie von der englischen Krone bekommen hatten und nach gutem alten Recht der Besatzer schamlos plünderten, wie sie es in Jahrhunderten gelernt und praktiziert hatten, ob in Schottland oder Irland. Denn die Textilindustrie boomte damals und versprach höhere Profite als die Pacht kleiner Farmer. Von Ab- und Unabhängigkeit In der Halbwertzeit der heutigen Politik ringen gerade Theresa May und Nicola Sturgeon um die Gunst der Wähler – und um die Gunst der Stunde. Die schottische Regierungschefin will lieber aus dem Vereinigten Königreich aussteigen als aus der EU. Inwieweit die hohe Politik Augen für die Inseln und ihre insgesamt 60000 Einwohnern hat, ist dabei schwer zu sagen. Die Regionalförderung der EU jedenfalls hatte sie. Davon zeugen nicht nur die Plaketten an neuester Infrastruktur, sondern viele lokale Projekte. Auf den Uists liegen zwar noch eine militärische Sperrzone und eine Radarstation der Royal Air Force. Doch wen ernährt das Kriegerhandwerk? Die Haupteinnahmequellen heutzutage sind Tourismus und die Landwirtschaft. Neue Clans regieren jetzt. Finanzstarke Familien und moderne Landeigner, die das Sagen und den Einfluss haben, die hiesige Welt zu gestalten und den eigenen Besitz vor interessensfremder Gestaltung zu bewahren. Landbau und Aufklärung auf verlorenem Posten Wir trafen Ameena, die geophysikalische Technik studierte und das Fracking angesichts des Klimawandels aufgab, um ein soziales Anliegen zu unterstützen, zwischen Roter Bete und dicken Bohnen: „Grow your own Community“ heißt das Projekt, das lokalen Landbau und ökologische Aufklärung auf verlorenem Posten betreibt. Denn auch hier sind die eigenen Gärten und Kartoffeläcker verschwunden und die Selbstversorgung an den Supermarkt abgetreten worden. Nebenbei leisten Aktivisten und Aktivierte in den Folientunneln und Gemüsebeeten Sozialarbeit für Ausgegrenzte und Abgehängte, für Arbeitslose und Alkoholbeseelte. „Dass wir einen Klimawandel erleben, glaubt inzwischen jeder hier. Die Regenfälle werden sintflutartig, die Stürme immer heftiger. Letzten Winter haben die orkanartigen Böen Autos von den Dämmen ins Meer geblasen. Es gab Tote. Doch dass der Klimawandel menschengemacht ist, will kaum einer hier glauben“, erzählt Ameena. Die weltpolitische Lage wie auch der Brexit verschlimmern die Ausgangslage für wirksame Veränderungen auch an diesen exponierten Rändern Europas. Aber es bleibt die Hoffnung auf späte Erkenntnis und sei es die, dass das eigene Gemüse schmackhafter und gesünder ist als aufgewärmet Konserven. Um Kartoffeln zu ernten, muss man hier eigentlich nur die Saat in den Sandboden drücken und ein wenig warten. Von Handel und Wandel und europäischen Wurzeln Dieser ethnische, kulturelle und sprachliche Schmelztiegel am fernen Rande des oberen Nordatlantik, am Fringe, wie wir gelernt haben, liefert ein eindrucksvolles und spannendes Zeugnis europäischer Besiedelung, gewaltsamer Eroberung und Vertreibung, der fortwährenden Immi- Emi- und Integration. Früh wurde die Region auf dem Seeweg besiedelt, rund 4000 vor Christus und noch vor dem Bau der Pyramiden. Seit der frühen Bronzezeit hat eine sesshaft werdende Hochkultur von Jägern und Sammlern die Marsch-, Dünen- und Seenlandschaften der Inseln geprägt. Monumentale Grabanlagen und Steinkreise, wie sie an der gesamten Atlantikküste zu finden sind, zeugen bis heute davon und von den paneuropäischen Wurzeln und Verbindungen, von Nordafrika über Portugal und Frankreich, über England, Wales und Irland, grenzenlos seit Urzeiten bis in den hohen Norden Schottlands. Was sollen Ab- und Ausgrenzung hier bewirken? Wem könnten sie wirklich dienen? Bis auf die Orkney und die Shetland Islands, die sogenannten Northern Isles, reichten die kulturellen Bande und die Handelsbeziehungen der Atlantiker jener archaischen Zeit, ja von dort sogar weiter noch über die Nord- und Ostsee bis ins Baltikum. Archäologische Funde belegen das. Als territoriale Landmarken und seeseits sichtbare Wegweiser ihrer Routen säumen allerorten die Standing Stones die Küsten und Landpassagen. Ans Ende der keltischen Landbrücke Wir sind diesen uralten Markern über die Uists bis ans Ende der fahrbaren Straße gefolgt, haben fantastische Strände besucht und im erfrischenden kalten und klaren Wasser des Nordatlantik gebadet. Weiter geht es ab hier nur mit dem Boot. Die Fährgesellschaft CalMac fährt von Lochmaddy zurück nach Uig, auf die Insel Skye. Aber dafür hätten wir zurück gemusst nach North Uist. Oder von Lochboisdale auf South Uist nach Oban und Mallaig, aufs schottische Festland und kontinenteinwärts. Beides wollten wir nicht. Denn da lagen noch Barra und Vatersay eine knappe Fährstunde weiter im Süden, beide wiederum verbunden über den letzten Damm dieser großartigen keltischen Landbrücke. Dorthin wollten wir, denn an jedem Ende geht es immer wieder weiter. Außerdem brach die Sonne hervor. Also dann, neuer Kurs 185 Grad: mit CalMac von Eriskay nach Ardmhor auf Barra. Erst dann werden wir die Fähre landeinwärts nehmen: von Castlebay zurück nach Oban. Doch davon dann mehr in den nächsten Ausgaben unserer sommerlichen Reiseberichte: The Celtic Times. Verfolgt unsere Tour an den Rändern Europas auf the-celtic-ways.de. Dort erscheinen bald schon die neuen Geschichten von den Äußeren Hebriden: Nach Barra und Vatersay: der Anfang vom Ende Ein-und Ausstieg auf Islay und Jura: alter und neuer Whisky Nordirland: Antrim Coast von oben und unten Irland: zu Gast bei lieben Freunden Empfehlt uns gerne weiter. 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