Minderinitiative

Verordnung gegen übermässige Vergütungen bei börsenkotierten Aktiengesellschaften vom Bundesrat in Kraft gesetzt

Am 20. November 2013 hat der Bundesrat die Verordnung gegen übermässige Vergütungen bei börsenkotierten Gesellschaften ("VegüV" bzw. "Verordnung") auf den 1. Januar 2014 in Kraft gesetzt. Damit hat er Artikel 95 Absatz 3 der Bundesverfassung, der auf die Annahme der Volksinitiative "gegen die Abzockerei" zurückgeht, umgesetzt. Dabei weicht die VegüV in mehreren Punkten vom Vorentwurf der Verordnung gegen die Abzockerei ab, welcher im Juni 2013 veröffentlicht und in die Vernehmlassung geschickt wurde. Die Übergangsbestimmungen sehen vor, dass den betroffenen Gesellschaften in mehreren Bereichen Übergangsfristen gewährt werden.

Wen betrifft es?

Die VegüV gilt für Aktiengesellschaften mit Sitz in der Schweiz, deren Aktien an einer Börse in der Schweiz oder im Ausland kotiert sind, sowie für schweizerische Pensionskassen. Schweizerische Aktiengesellschaften, deren Aktien nicht kotiert sind, und ausländische Gesellschaften mit Kotierung in der Schweiz sind nicht betroffen. Nicht anwendbar ist die Verordnung zudem auf sämtliche Gesellschaften und Anstalten nach Art. 763 OR, also bspw. Kantonalbanken und gewisse Versicherungs- und Elektrizitätsunternehmen, die aufgrund kantonaler Spezialgesetze gegründet worden sind und unter Mitwirkung öffentlicher Behörden verwaltet werden.

Die neuen Vergütungsvorschriften gelten für den Verwaltungsrat, den Beirat und die Geschäftsleitung, d.h. die Mitglieder des Gremiums, das unmittelbar dem Verwaltungsrat unterstellt ist. Mitarbeiter einer tieferen Hierarchiestufe sind nicht betroffen.

Was ist zu tun?

1. Statutenanpassung

Die betroffenen Gesellschaften müssen ihre Statuten ergänzen. Die Statutenanpassungen sind teilweise zwingend, teilweise sind sie nur dann notwendig, wenn deren Inhalt für die betroffenen Gesellschaften verbindlich sein soll. Die Statutenanpassungen haben spätestens an der zweiten ordentlichen Generalversammlung nach Inkrafttreten der VegüV zu erfolgen.

Zwingender Statuteninhalt

  • Externe Tätigkeiten der Organe: Die Statuten müssen Bestimmungen enthalten über die Anzahl der zulässigen Tätigkeiten ihrer Organmitglieder in Rechtseinheiten, die verpflichtet sind, sich ins Handelsregister oder in ein entsprechendes ausländisches Register eintragen zu lassen, und die nicht durch die Gesellschaft kontrolliert werden oder die Gesellschaft nicht kontrollieren. Eine Höchstzahl an gesellschaftsexternen Mandaten sieht die Verordnung nicht vor. Laut Praxismitteilung des Eidgenössischen Amts für das Handelsregister (EHRA) vom 20. November 2013 muss die Höchstzahl zudem nur bestimmbar sein. Es ist auch zulässig, sachlich und personell zu differenzieren, bspw. eine unterschiedliche Anzahl von zulässigen Tätigkeiten in anderen börsenkotierten oder nicht börsenkotierten Unternehmen oder für vollamtliche und nebenamtliche Verwaltungsratsmitglieder oder Geschäftsleitungsmitglieder vorzusehen.
     
  • Vertragsdauer und Kündigungsfristen: Sowohl die maximale Dauer der befristeten Verträge als auch die maximalen Kündigungsfristen der unbefristeten Verträge mit den Mitgliedern des Verwaltungsrates und der Geschäftsleitung sind in den Statuten festzusetzen. Neu bestimmt die VegüV, dass die Dauer der befristeten Verträge sowie die Kündigungsfristen für unbefristete Verträge maximal ein Jahr betragen dürfen.
     
  • Vergütungsausschuss: Die Grundsätze über die Aufgaben und Zuständigkeiten des Vergütungsausschusses müssen in die Statuten aufgenommen werden. Die Generalversammlung hat jährlich die Verwaltungsratsmitglieder zu bestimmen, welche Mitglieder des Vergütungsausschusses sein sollen. Davon abgesehen sind die Gesellschaften bei der Organisation des Vergütungsausschusses frei.
     
  • Genehmigung der Vergütungen: Die Statuten müssen die Einzelheiten zur Abstimmung der Generalversammlung über die Vergütungen der Organe regeln. Anders als der Vorentwurf sieht die VegüV keinen dispositiv geltenden Abstimmungsmechanismus mehr vor. Gesetzliche Vorgaben für die statutarische Regelung sind lediglich, dass die Abstimmung über die Vergütungen (1) jährlich, (2) gesondert für den Gesamtbetrag der Vergütungen des Verwaltungsrates, der Geschäftsleitung und des Beirates und (3) bindend, also nicht bloss konsultativ, zu erfolgen hat. Innerhalb dieser Leitplanken sind die Gesellschaften somit frei in der Wahl, ob die Genehmigung der jeweiligen Gesamtvergütungen retrospektiv, prospektiv oder in einer Kombination von beidem zu erfolgen hat.

    Die Gesellschaften können auch frei wählen, ob die Generalversammlung lediglich den Vergütungsantrag des Verwaltungsrates genehmigen oder auch aufgrund von (bspw. tieferen) Vergütungsanträgen der Aktionäre beschliessen kann. Da nach den Übergangsbestimmungen die Statutenanpassungen spätestens an der zweiten ordentlichen Generalversammlung nach Inkrafttreten der VegüV zu erfolgen haben, ist es bei einer Wahl der prospektiven Genehmigungsvariante möglich und zulässig, der Generalversammlung erstmals die Vergütungen für das Geschäftsjahr 2016 zu Genehmigung zu unterbreiten.

    Die Gesellschaften können in den Statuten auch das weitere Vorgehen regeln im Falle einer Ablehnung der Vergütungen durch die Generalversammlung. Wie schon der Vorentwurf gibt auch die VegüV keine Antwort auf die an sich zentralen Fragen, welche Entschädigung die Gesellschaften ihren Organmitgliedern zahlen dürfen, wenn die Generalversammlung den Vergütungsantrag ablehnt, und welche Vergütung für die Periode zwischen Ende des Geschäftsjahres (oder der letzten Genehmigungsperiode) bis zum Datum der nächsten Generalversammlung ausgerichtet werden darf. In seinem Zusatzbericht hält das Bundesamt für Justiz lediglich fest, dass statutarische Regelungen, welche bei einer Ablehnung die letztmals genehmigten Vergütungen gelten lassen oder den Vergütungsentscheid dem Vergütungsausschuss zukommen lassen würden, unzulässig seien.

    Zur Schaffung einer gewissen Rechtssicherheit in Bezug auf die arbeitsrechtliche Lohnzahlungspflicht der Gesellschaften an ihre Organe ist zu empfehlen, im Falle eines ablehnenden Generalversammlungsbeschlusses das weitere Genehmigungsprozedere in den Statuten zu regeln. Denkbar wäre etwa eine Statutenregelung, die dem Verwaltungsrat erlaubt, in der Generalversammlung sogleich einen zweiten Vergütungsantrag zu stellen, für welchen ein abweichendes, tieferes Zustimmungsquorum gilt. Insbesondere könnte vorgesehen werden, dass Stimmenthaltungen - bspw. des für einen zweiten Vergütungsantrag des Verwaltungsrates allenfalls instruktionslosen unabhängigen Stimmrechtsvertreters - als nicht abgegeben und damit auch nicht als "Nein"-Stimmen gelten. Aus denselben Gründen dürfte sich zudem empfehlen, den Aktionären kein statutarisches Antragsrecht für die Höhe der Vergütungen einzuräumen und in den Statuten eine prospektive Genehmigung in Form eines Gesamtbudgets oder zumindest der fixen und allenfalls der langfristigen variablen Vergütungsbestandteile der Organe vorzusehen.

Bedingt notwendiger Statuteninhalt

Zu ihrer Verbindlichkeit und Gültigkeit bedürfen gewisse Vergütungen und Massnahmen der Gesellschaft neu einer statutarischen Grundlage. Gewisse Vergütungen an Organe sind folglich nur unzulässig, wenn ihnen die statutarische Grundlage fehlt oder sie den statutarischen Vorgaben nicht entsprechen. Wenn die Statuten diese Vergütungsarten und -elemente regeln und die Vergütungsentrichtung statutenkonform erfolgt, sind sie weiterhin erlaubt.

Nach der VegüV gilt dieser Statutenvorbehalt für:

  • Darlehen, Kredite und Vorsorgeleistungen: Die Höhe der Darlehen, Kredite und Vorsorgeleistungen ausserhalb der beruflichen Vorsorge für die Mitglieder des Verwaltungsrates, der Geschäftsleitung und des Beirats sind in die Statuten aufzunehmen. Laut Praxismitteilung des EHRA genügt es, wenn die Höhe bestimmbar ist.
     
  • Erfolgsabhängige Vergütungen, Zuteilung von Beteiligungspapieren, Wandel- und Optionsrechten: Die erfolgsabhängigen Vergütungen sowie die Zuteilung von Beteiligungspapieren, Wandel- und Optionsrechten an die Organe (soweit diese die Funktion einer Vergütung haben) bedürfen ebenfalls einer Statutengrundlage. Allerdings müssen in den Statuten nur die Grundsätze und nicht sämtliche Details geregelt werden. Namentlich die Erfolgs- und Beteiligungspläne des Managements müssen weder integral in die Statuten noch in einen Anhang dazu aufgenommen werden, wie es in der Vernehmlassung teilweise gefordert wurde.
     
  • Ermächtigung zur Übertragung der Geschäftsführung: Die Übertragung der Geschäftsführung durch den Verwaltungsrat nach Massgabe eines Organisationsreglements bedarf wie bis anhin der statutarischen Grundlage. Anders als der Vorentwurf stellt die Verordnung zudem klar, dass die Übertragung der Vermögensverwaltung an juristische Personen mit einer entsprechenden Statutenermächtigung zulässig bleibt. Das ermöglicht insbesondere den börsenkotierten Investmentgesellschaften die Fortführung ihrer bisherigen Organisation.
     
  • Zusatzbetrag: Den Gesellschaften wird sinnvollerweise erlaubt, in den Statuten einen Zusatzbetrag für die Vergütungen von Mitgliedern der Geschäftsleitung vorzusehen, die nach der Abstimmung der Generalversammlung über die Vergütungen ernannt werden. Dieser "Puffer" darf nur dann verwendet werden, wenn der von der Generalversammlung beschlossene Gesamtbetrag der Vergütungen für die Vergütung des neuen Mitglieds nicht ausreicht. Sodann darf der Zusatzbetrag in zeitlicher Hinsicht nur bis zur nächsten Vergütungsabstimmung der Generalversammlung verwendet werden. Der Zusatzbetrag muss nicht in einem genauen Frankenbetrag angegeben werden; es genügt, wenn er für die Aktionäre aufgrund der Statutenformulierung bestimmbar ist (bspw. ausgedrückt in Prozentpunkten der Gesamtvergütung der Geschäftsleitung). Ein entsprechend dieser Statutenbestimmung ausgerichteter Zusatzbetrag muss in der nächsten Generalversammlung nicht nochmals genehmigt werden.
     
  • Vorgehen bei ablehnendem Vergütungsentscheid durch die Generalversammlung: Anders als der Vorentwurf enthält die VegüV keine Regelung über das weitere Vorgehen im Falle eines ablehnenden Vergütungsentscheides der Generalversammlung. Neu wird es den Gesellschaften überlassen, die Massnahmen und Einzelheiten in den Statuten zu regeln (siehe oben).
     
  • Vakanzen: Der Verwaltungsrat ist zuständig für die Ernennung des Präsidenten des Verwaltungsrates, eines Mitglieds des Vergütungsausschusses und des unabhängigen Stimmrechtsvertreters im Falle einer Vakanz während einer verbleibenden Amtsdauer. Den Gesellschaften ist es allerdings erlaubt, in den Statuten eine abweichende Regelung zur Behebung eines solchen Organisationsmangels vorzusehen.
     
  • Kontrollierte Unternehmen: Die Gesellschaften können in den Statuten die Vergütungen ihrer Organe für deren Tätigkeiten in Unternehmen regeln, die durch die Gesellschaft direkt oder indirekt kontrolliert werden.

Weitere Statutenänderungen

Je nach Ausgestaltung der bisherigen Statuten ist zudem erforderlich, die der VegüV widersprechenden Statutenbestimmungen anzupassen, insbesondere in Bezug auf (1) die jährliche Wahl und Amtsdauer der einzelnen Mitglieder des Verwaltungsrates und des Verwaltungsratspräsidenten, (2) die neu zwingende Zuständigkeit des Verwaltungsrates für die Erstellung eines Vergütungsberichts und (3) die jährliche Wahl eines unabhängigen Stimmrechtsvertreter durch die Generalversammlung und die Abschaffung aller anderen Formen der institutionellen Stimmrechtsvertretung.
 

2. Erstellung des Vergütungsberichts

Neu muss der Verwaltungsrat jährlich, erstmals für das Geschäftsjahr, das gleichzeitig mit dem Inkrafttreten der Verordnung oder danach beginnt, einen schriftlichen Vergütungsbericht zuhanden der ordentlichen Generalversammlung erstellen. Darin werden gegenüber der Generalversammlung die Einzelheiten zu den Vergütungen an die Mitglieder des Verwaltungsrats, der Geschäftsleitung und des Beirats bzw. diesen nahestehenden Personen offengelegt. Bei der Erstellung des Vergütungsberichts sind die Grundsätze ordnungsgemässer Rechnungslegung zu beachten. Sodann finden die Vorgaben zur Rechnungslegung nach den Artikeln 958c, 958d Absätze 2-4 und 958f OR für den Vergütungsbericht entsprechend Anwendung.

Der neu zu erstellende Vergütungsbericht ersetzt den Anhang zur Bilanz, in welchem bisher die entsprechenden Angaben enthalten waren. Die VegüV hält detailliert fest, welche Angaben zu welchen Personen bzw. Organen bzw. diesen nahe stehenden Personen im Vergütungsbericht offengelegt werden müssen. Die Bestimmungen entsprechen grundsätzlich dem bisherigen Artikel 663bbis OR. Eine Abstimmung über den Vergütungsbericht sieht die VegüV nicht vor.

Im Vergütungsbericht sind alle Vergütungen sowie ausstehende Darlehen und Kredite aufzuführen, welche die Gesellschaft direkt und indirekt an die aktuellen und früheren Mitglieder des Verwaltungsrates, der Geschäftsleitung und den Beirat ausgerichtet bzw. gewährt hat. In Bezug auf frühere Mitglieder des Verwaltungsrates, der Geschäftsleitung und des Beirats sind Vergütungen nur dann offenzulegen, sofern sie in einem Zusammenhang mit der früheren Tätigkeit als Organ der Gesellschaft stehen oder nicht marktüblich sind. Leistungen der beruflichen Vorsorge sind zudem von der Offenlegungspflicht ausgenommen. Ausstehende Kredite und Darlehen an ehemalige Organmitglieder sind nur anzugeben, sofern sie nicht zu marktüblichen Bedingungen gewährt wurden.

Vergütungen, Darlehen und Kredite an sogenannte nahestehende Personen (der aktuellen und früheren Mitglieder des Verwaltungsrates, der Geschäftsleitung und des Beirats) sind ebenfalls anzugeben; Vergütungen, sofern sie nicht marktüblich sind, Darlehen und Kredite, sofern sie nicht zu marktüblichen Bedingungen gewährt wurden und noch ausstehend sind. Die Namen der nahestehenden Personen sind aber nicht anzugeben. Marktübliche Honorare an Steuerberatungsunternehmen, Anwaltskanzleien oder sonstige Beratungsfirmen, in denen ein Organmitglied tätig ist, müssen im Vergütungsbericht folglich nicht offengelegt werden.

Die Revisionsstelle muss prüfen, ob der Vergütungsbericht dem Gesetz und der VegüV entspricht. Die Regeln für die Jahresrechnung zur Berichterstattung an den Verwaltungsrat und die Generalversammlung finden entsprechend Anwendung.
 

3. Anpassung der Arbeitsverträge

Generell unzulässige Entschädigungen

Gewisse Entschädigungselemente für die Organmitglieder sind neu per se unzulässig. Das Ausrichten und Entgegennehmen solcher Vergütungen kann zudem bei Vorsatz strafrechtlich sanktioniert werden. Das Verbot gilt grundsätzlich mit Inkrafttreten der Verordnung am 1. Januar 2014. Neue, nach diesem Zeitpunkt abgeschlossene Arbeitsverträge dürfen solche Vergütungselemente nicht mehr vorsehen. Für die am 1. Januar 2014 bestehenden Arbeitsverträge sieht die Verordnung hingegen eine Übergangsfrist vor. Diese Arbeitsverträge sind innerhalb von zwei Jahren ab Inkrafttreten der Verordnung, also bis zum 1. Januar 2016, anzupassen. Bis zu diesem Zeitpunkt können folglich bestehende, nicht "VegüV"-kompatible Vergütungselemente noch straflos ausgerichtet werden.

Vom generellen Verbot sind die nachfolgenden Vergütungen erfasst:

  • Abgangsentschädigungen, die vertraglich vereinbart oder statutarisch vorgesehen sind: Der Begriff der Abgangsentschädigung wird in der Verordnung nicht definiert. Laut Erläuterungsbericht des Bundesamtes für Justiz zum Vorentwurf sei der Begriff der Abgangsentschädigung aber umfassend zu verstehen und meine insbesondere pauschale Abfindungssummen ohne direkte Gegenleistung, also etwa Entschädigungen bei Stellenverlust infolge eines Kontrollwechsels, wie sie in Verträgen mit Geschäftsleitungsmitgliedern mitunter vorgesehen sind. Anders als der Vorentwurf stellt die definitive Verordnung nun klar, dass alle bis zur Beendigung des Arbeitsvertrages geschuldeten Vergütungen zulässig und damit keine Abgangsentschädigungen sind. Zulässig ist daher die Lohnfortzahlung während der neu maximal zulässigen einjährigen Kündigungsfrist bei Freistellung des Managers. Gleiches muss gelten, wenn das Arbeitsverhältnis, statt durch eine Kündigung mit Freistellung, durch eine Aufhebungsvereinbarung beendet wird, sofern darin nur die vertragliche Restdauer abgegolten wird. Zulässig sind auch gesetzlich geschuldete Abgangsentschädigungen nach Art. 339b OR. Auch der vorzeitige Wegfall von Erwerbsbedingungen und Verfügungsbeschränkungen von Optionen und Aktien unter Mitarbeiterbeteiligungsprogrammen stellt keine verbotene Abgangsentschädigung dar. Nicht vom Verbot erfasst sind schliesslich marktgerechte Konkurrenzverbotsentschädigungen. Zwar sagt der Erläuterungsbericht nicht, was "marktgerecht" ist und wie hoch dieser Betrag maximal sein könnte. Ausgehend davon, dass arbeitsrechtlich Konkurrenzverbote in der Regel maximal für drei Jahre vereinbart und durchgesetzt werden können, dürfte das letzte Jahresfixgehalt multipliziert mit diesem Faktor 3 wohl die obere Grenze einer noch erlaubten Konkurrenzverbotsentschädigung setzen.
     
  • Vergütungen, die im Voraus ausgerichtet werden: Absolut verboten sind auch Vorausvergütungen, zu denen sich die Gesellschaft verpflichtet oder die sie leistet, bevor das Organmitglied überhaupt für die Gesellschaft aktiv geworden ist. Weiterhin erlaubt sind hingegen die sogenannten Antrittsprämien. Als Antrittsprämie gilt laut Zusatzbericht eine Entschädigung bei Stellenantritt für den Verlust von werthaltigen Ansprüchen gegenüber dem bisherigen Arbeit- oder Auftraggeber (z.B. Optionsrechte, gesperrte Aktien), die dem Organ zugestanden hätten, wenn es nicht das Unternehmen gewechselt hätte.
     
  • Provisionen für Umstrukturierungen: Das Provisionsverbot gilt bei allen Umstrukturierungsformen des Fusionsgesetzes und die wertungsmässig gleich gelagerten Vorgänge im Zusammenhang mit konzerninternen Vorgängen. Mit dem Begriff "Provision" wird klargestellt, dass nur die zeit- und aufwandunabhängigen Vergütungen gemeint sind. Ein Mehraufwand der Organe im Zusammenhang mit Unternehmenstransaktionen kann folglich bei der Festlegung der variablen Vergütung weiterhin berücksichtigt werden.

Unzulässige Vergütungen bei fehlender statutarischer Grundlage

Im Gegensatz zu den vorgenannten Vergütungsarten, die ohne Ausnahme unzulässig sind, sind gewisse Vergütungen an Organe nur unzulässig, wenn sie den statutarischen Vorgaben nicht entsprechen oder wenn ihnen die statutarische Grundlage vollständig fehlt. Umgekehrt also, wenn die Statuten diese Vergütungsarten und -elemente regeln, sind sie weiterhin erlaubt. Spätestens die zweite ordentliche Generalversammlung, die nach dem Inkrafttreten der Verordnung stattfindet, hat die entsprechenden Statutenbestimmungen zu beschliessen. Bis dahin bleibt die Ausrichtung solcher Vergütungen zulässig.

Laut VegüV betrifft dies die Darlehen, Kredite und Vorsorgeleistungen ausserhalb der beruflichen Vorsorge und die erfolgsabhängigen Vergütungen sowie die Zuteilung von Beteiligungspapieren, Wandel- und Optionsrechten. Ziel ist, dass die Aktionäre die Leitplanken für solche Vergütungen vorgeben können. In Bezug auf die Darlehen, Kredite und Vorsorgeleistungen ausserhalb der beruflichen Vorsorge ist die Höhe in die Statuten aufzunehmen, während für erfolgsabhängige Vergütungen sowie die Zuteilung von Beteiligungspapieren, Wandel- und Optionsrechten lediglich die Grundzüge, nicht aber die Beteiligungspläne als solche, in die Statuten aufzunehmen sind.

4. Unmittelbarer Handlungsbedarf

Der Verwaltungsrat hat die Umsetzung der Verordnung sicherzustellen. Im Hinblick auf das Inkrafttreten der Verordnung am 1. Januar 2014 und die Vorbereitung der ordentlichen Generalversammlung 2014 ergibt sich im Wesentlichen der folgende unmittelbare Handlungsbedarf:

  • Die Gesellschaften müssen zwingend über einen unabhängigen Stimmrechtsvertreter verfügen. Der Verwaltungsrat hat einen solchen vorab für die erste ordentliche Generalversammlung nach dem 1. Januar 2014 zu bestellen. Die Organ- und Depotvertretung ist ab dem 1. Januar 2014 nicht mehr zulässig.
     
  • Für die erste ordentliche Generalversammlung nach Inkrafttreten der VegüV sind die Einzelwahl des Präsidenten des Verwaltungsrates, der Mitglieder des Verwaltungsrates, der Mitglieder des Vergütungsausschusses und eines unabhängigen Stimmrechtsvertreters als Traktanden vorzusehen. Es ist nur noch zulässig, die entsprechenden Personen für eine Amtsdauer von einem Jahr zu wählen.
     
  • Sofern die Statuten noch keine Bestimmungen betreffend die Aufgaben und Zuständigkeiten des Vergütungsausschusses vorsehen, sind diese vom Verwaltungsrat zu bestimmen.
     
  • Für das Jahr 2014 ist das erste Mal ein Vergütungsbericht zu erstellen. Dieser ist von der Revisionsstelle zu prüfen.
     
  • Es ist sicherzustellen, dass die neuen Arbeitsverträge keine nach der Verordnung unzulässigen Vergütungen mehr enthalten.

Namentlich kleineren und mittleren börsenkotierten Gesellschaften ist zu empfehlen, für die übrigen Punkte von den Übergangsfristen der Verordnung Gebrauch zu machen und namentlich den Entscheid über ein retrospektives oder prospektives Abstimmungsmodell und die Festlegung der davon betroffenen Vergütungsperiode (Geschäftsjahr oder davon abweichende Jahresperiode) und die damit verbundenen Statutenanpassungen erst für die zweite ordentliche Generalversammlung nach dem 1. Januar 2014 vorzusehen.

 

 

Autoren

Dr. Robert Bernet
Dr. Robert Bernet, LL.M.

rbernet@vischer.com

lic. iur. Nicolas Facincani, LL.M.
lic. iur. Nicolas Facincani, LL.M.

nfacincani@vischer.com

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