FinfraG und FinfraV-FINMA

Neuerungen im Schweizer Offenlegungsrecht

Am 1. Januar 2016 tritt das neue Finanzmarktinfrastrukturgesetz (FinfraG) in Kraft. Das FinfraG enthält neben aufsichtsrechtlichen Vorgaben für den Betrieb von Finanzmarktinfrastrukturen und Regeln zum Derivathandel auch Marktverhaltensregeln. Diese umfassen unter anderem die Bestimmungen über die Offenlegung von Beteiligungen an Gesellschaften, die ganz oder teilweise in der Schweiz börsenkotiert sind. Diese Bestimmungen waren bislang im Börsengesetz (BEHG) enthalten. Die Vorgaben des FinfraG zur Offenlegung von Beteiligungen werden durch die Finanzmarktinfrastrukturverordnung-FINMA (FinfraV-FINMA) konkretisiert, die ebenfalls am 1. Januar 2016 in Kraft tritt. Die FinfraV-FINMA ersetzt die bisher geltende Börsenverordnung-FINMA (BEHV-FINMA).

1. Wichtigste Neuerungen im Überblick

Die zentrale Anpassung auf Gesetzesstufe ist die Einführung einer Meldepflicht für Dritte, die zur Ausübung der Stimmrechte an meldepflichtigen Beteiligungspapieren nach freiem Ermessen ermächtigt sind.

Aufgrund dieser Neuregelung waren auf Verordnungsebene verschiedene Änderungen notwendig. Die FINMA hat diese Gelegenheit zudem zum Anlass genommen, bestehende Bestimmungen anhand praktischer Erfahrungen zu überarbeiten.

Im Folgenden werden die nach Ansicht der Autoren wichtigsten Neuerungen aufgezeigt.

Stimmrechtsausübung nach freiem Ermessen
Das FinfraG unterscheidet neu zwei Arten von Meldepflichtigen, die bei Tangierung der gesetzlichen Grenzwerte zu einer Offenlegungsmeldung verpflichtet sind. Es sind dies einerseits die an Beteiligungspapieren wirtschaftlich Berechtigten, andererseits Dritte, die die Stimmrechte an meldepflichtigen Beteiligungspapieren nach freiem Ermessen ausüben können, ohne an diesen wirtschaftlich berechtigt zu sein. Die Meldepflicht des zur Stimmrechtsausübung Ermächtigten soll verhindern, dass jemand Stimmrechte mehrerer untereinander unabhängiger wirtschaftlich Berechtigter sammelt, ohne dass die kumulierte Beteiligung offengelegt werden muss. Gesetzlich sind somit zwei separate Meldepflichten vorgesehen.

Als wirtschaftlich Berechtigter gilt nach der neu eingeführten Definition der FinfraV-FINMA, wer die aus einer Beteiligung fliessenden Stimmrechte kontrolliert und das wirtschaftliche Risiko aus der Beteiligung trägt. Dies bedeutet zum Beispiel, dass klassische Vermögensverwalter, die auf Rechnung des Kunden eine Anlage auswählen, nicht meldepflichtig sind, solange sie nicht zur Stimmrechtsausübung nach freiem Ermessen ermächtigt sind.

Die Meldepflicht des zur Stimmrechtsausübung ermächtigten Dritten gilt nur, wenn sich diese Person ausserhalb der Beherrschungskette des wirtschaftlich Berechtigten befindet. Innerhalb von Konzernverhältnissen entsteht daher keine zusätzliche Meldepflicht von Tochtergesellschaften, welche die meldepflichtigen Beteiligungspapiere direkt halten und die Stimmrechte ausüben.

Falls ein Dritter zur Stimmrechtsausübung ermächtigt wird, ist die meldepflichtige Person nach den Regeln zur Bestimmung des wirtschaftlich Berechtigten zu ermitteln. Bei juristischen Personen trifft die Meldepflicht im Ergebnis somit jenen, der die zur Ausübung der Stimmrechte ermächtigte juristische Person direkt oder indirekt beherrscht.

Kein freies Ermessen zur Stimmrechtsausübung liegt vor, wenn der wirtschaftlich Berechtigte, der die Ermächtigung zur Ausübung der Stimmrechte erteilt, durch Instruktionen Einfluss auf die Stimmrechtsausübung nimmt. Eine Meldepflicht besteht zudem nur dann, wenn die Stimmrechte aufgrund der Stimmrechtsermächtigung nicht nur ausgeübt werden können, sondern auch ausgeübt werden dürfen.

Die FINMA hat in ihrem begleitenden Bericht vom 9. Dezember 2015 festgehalten, dass beim zur Stimmrechtsausübung Ermächtigten die Meldepflicht im Zeitpunkt der Erteilung der Ermächtigung entsteht. Die Erteilung dieser Ermächtigung löst nur beim zur Stimmrechtsausübung Berechtigten eine Meldepflicht aus, nicht jedoch beim wirtschaftlich Berechtigten, der die Ermächtigung erteilt. In der Offenlegungsmeldung muss der von der Ausübungsermächtigung erfasste Anteil der Stimmrechte enthalten sein.

Beteiligungsderivate
Die FINMA hält am bisherigen Konzept zur Offenlegung von Beteiligungsderivaten (vormals Finanzinstrumente genannt) fest. Wie bisher sind sowohl Beteiligungsderivate mit Realerfüllung als auch solche mit Barausgleich meldepflichtig. Beteiligungsderivate sind gemäss der neu eingeführten Definition der FinfraV-FINMA Instrumente, deren Wert sich zumindest teilweise vom Wert oder der Wertentwicklung von Beteiligungspapieren von Gesellschaften ableitet, die in der Schweiz ganz oder teilweise kotiert oder hauptkotiert sind. Durch diese Definition wird klargestellt, dass als mögliche Basiswerte von meldepflichtigen Beteiligungsderivaten sowohl die kotierten als auch die nichtkotierten Beteiligungspapiere von Gesellschaften, die der Offenlegungspflicht in der Schweiz unterliegen, in Frage kommen.

Erleichterungen bei indirektem Erwerb und indirekter Veräusserung
Die zur Meldung eines indirekten Erwerbs oder einer indirekten Veräusserung notwendigen Angaben werden vereinfacht. Neu wird auf die Pflicht zur Offenlegung der gesamten Halterkette vom direkten Erwerber oder Veräusserer bis zum wirtschaftlich Berechtigten verzichtet. Dies bedeutet, dass lediglich der direkte Erwerber oder Veräusserer und der wirtschaftlich Berechtigte offengelegt werden müssen. Die Neuregelung führt insbesondere in Konzernverhältnissen zu einer Erleichterung, da Verschiebungen von Beteiligungen innerhalb des Konzerns nur noch eine Meldepflicht auslösen, wenn Gesellschaften, die Beteiligungspapiere direkt halten, betroffen sind. Damit wird eine in der Praxis häufige Fehlerquelle beseitigt.

Konzernverhältnisse
Bei Konzernverhältnissen hat die Überschneidung des Gruppentatbestands mit dem Tatbestand des direkten oder indirekten Haltens in der Praxis oft zu Unsicherheiten in Bezug auf die richtige Vorgehensweise bei der Meldung geführt. Neu sind meldepflichtige Beteiligungen in Konzernverhältnissen immer als indirektes Halten offenzulegen, was Unklarheiten ausräumt und die vorstehend genannten Erleichterungen mit sich bringt.

2. Weitere Änderungen

Die FinfraV-FINMA enthält neu einen abschliessenden Katalog von gemeldeten Angaben, deren Änderung eine erneute Meldung erfordert. Damit wird der Anwendungsbereich der Änderungsmeldung präzisiert.

Es sind zudem weitere Vereinfachungen formeller Natur vorgesehen:

  • Meldungen an die Offenlegungsstelle können wie bisher per Telefax oder Email übermittelt werden. Unter neuem Recht wird klargestellt, dass dies auch für Meldungen an die Gesellschaft gilt. Zudem entfällt die Pflicht zur Nachreichung der Originaldokumente.
     
  • Inhalt der Meldung: Die Meldung der Adresse einer juristischen Person und einer zuständigen Kontaktperson ist nicht mehr Teil der Erfüllung der Meldepflicht. Eine Kontaktperson, an die sich die Offenlegungsstelle bei Fragen wenden kann, ist jedoch im Rahmen ergänzender Angaben zu benennen. Durch diese Vereinfachungen werden Fehlerquellen eliminiert, die in der Praxis immer wieder zu Meldepflichtverletzungen geführt haben.
     
  • Meldefrist: Die Meldefrist für infolge Erbgangs entstehende Meldepflichten beträgt neu 20 Börsentage.

Weiterhin ist neben der vorsätzlichen auch die fahrlässige Verletzung der Meldepflichten strafbar. Die maximale Bussenhöhe für die fahrlässige Verletzung der Meldepflichten wurde aber deutlich reduziert und beträgt statt CHF 1'000'000 neu CHF 100'000.

3. Zeitliche Anwendbarkeit und Handlungsbedarf

Offenlegungsmeldungen, die nach bisherigem Recht erfolgten, bleiben gültig. Dies bedeutet, dass bspw. gemeldete Halterketten zwischen direktem Halter und wirtschaftlich Berechtigtem erst bei der nächsten Meldung bereinigt werden müssen.

Sachverhalte, die vor dem Inkrafttreten des FinfraG und der FinfraV-FINMA (d.h. vor dem 1. Januar 2016) eingetreten sind, und erst aufgrund des Inkrafttretens des neuen Rechts eine Meldepflicht auslösen, müssen bis zum 31. März 2016 gemeldet werden. Daher haben bspw. Personen, die zur Ausübung von Stimmrechten nach freiem Ermessen ermächtigt wurden und damit ein Grenzwert tangiert wurde, bis spätestens am 31. März 2016 eine entsprechende Meldung zu erstatten.

Sachverhalte, die sich nach dem 1. Januar 2016 ereignen, sind nach neuem Recht zu melden. Bis zum 31. März 2016 können Meldungen mit entsprechendem Hinweis zunächst nach bisherigem Recht erfolgen. Diese Meldungen müssen jedoch spätestens bis zum 31. März 2016 zusätzlich nach neuem Recht erfolgen, damit das gesamte Offenlegungswesen ab dem 1. April 2016 auf die neuen Regelungen umgestellt ist.

Weiterführende Informationen
Weiterführende Informationen zur neuen FinfraV-FINMA stehen auf der Website der FINMA zum Download bereit.

Bei Fragen und für weiterführende Hinweise stehen die Autoren gerne zur Verfügung.

Autoren

Dr. Markus Guggenbühl, LL.M.
Dr. Markus Guggenbühl, LL.M.

mguggenbuehl@vischer.com

Gina-Andrea Caprez, LL.M.
Gian-Andrea Caprez, LL.M.

gcaprez@vischer.com

Dominic A. Wyss
Dominic A. Wyss

dwyss@vischer.com

VISCHER AG