Neue Regeln für die Dekotierung

Beschwerderecht für Aktionäre eingeführt

Die Schweizer Börse SIX Swiss Exchange hat ihre Dekotierungsrichtlinie überarbeitet und damit das Verfahren für einen Rückzug von der Börse neu geregelt. Neu können insbesondere Aktionäre die Aufrechterhaltungsfrist und den Zeitpunkt der Dekotierung anfechten. Zudem müssen im Dekotierungsgesuch künftig Angaben zum Free Float gemacht werden. Die revidierte Dekotierungsrichtlinie ist Anfang März 2014 in Kraft getreten.

Neues Dekotierungsverfahren
Das Verfahren zur Dekotierung von Beteiligungspapieren umfasst gemäss den neuen Vorschriften im Wesentlichen die folgenden Schritte:

  • Dekotierungsgesuch: Der Emittent muss die Dekotierung in einem schriftlichen Gesuch an die SIX Swiss Exchange beantragen. Das Gesuch muss die Gründe für die Dekotierung erläutern und neu zwingend auch Angaben zum Free Float enthalten. Als Free Float gelten dabei grundsätzlich alle Beteiligungsrechte, die nicht vom Emittenten selbst oder von Aktionären mit einem Stimmrechtsanteil von mehr als 5% gehalten werden, der Sicherstellung von Wandel- oder Optionsrechten dienen oder aufgrund von Lock-Up-Vereinbarungen nicht frei handelbar sind. Das Gesuch muss mindestens 20 Börsentage vor der Ankündigung der Dekotierung eingereicht werden.
     
  • Ankündigung der Dekotierung: Die Ankündigung der Dekotierung erfolgt mittels Publikation des Dekotierungsentscheids auf der Webseite der SIX sowie einer sogenannten "Offiziellen Mitteilung" des Emittenten. Die zusätzliche Veröffentlichung eines Dekotierungsinserats ist neu nicht mehr erforderlich.
     
  • Letzter Handelstag: Der letzte Handelstag wird von der SIX unter Berücksichtigung der Interessen der Anleger und des Marktes festgelegt, wobei die SIX einem begründeten Antrag des Emittenten erfahrungsgemäss Rechnung trägt. Der Zeitraum zwischen Ankündigung der Dekotierung und dem letzten Handelstag muss grundsätzlich mindestens drei und höchstens zwölf Monate betragen. Bei der Festlegung dieser Aufrechterhaltungsfrist berücksichtigt die SIX insbesondere den Free Float, die Liquidität des Titels und das Handelsvolumen. Im Fall einer Fusion, Übernahme oder Liquidation sowie wenn gleichzeitig neue Beteiligungsrechte kotiert werden kann die Aufrechterhaltungsfrist auf bis zu fünf Börsentage verkürzt werden.
     
  • Anfechtung durch Aktionäre: Neu können Aktionäre Dekotierungsentscheide innert 20 Börsentagen nach deren Veröffentlichung bei der Beschwerdeinstanz der SIX Swiss Exchange anfechten. Jedoch können Aktionäre nur die Frist zwischen Ankündigung der Dekotierung und dem letzten Handelstag anfechten, nicht aber die Dekotierung selbst. Der Entscheid der Beschwerdeinstanz kann innert 20 Börsentagen an das Schiedsgericht der SIX Swiss Exchange weitergezogen werden.

Würdigung der neuen Vorschriften
Die neuen Dekotierungsvorschriften sehen keine Pflicht zur Aufrechterhaltung eines ausserbörslichen Handels nach erfolgter Dekotierung mehr vor. Andererseits erlauben es die neuen Vorschriften der SIX aber, eine längere Frist zwischen Ankündigung der Dekotierung und dem letzten Handelstag anzusetzen und so den Investoren Gelegenheit zu geben, ihre Aktien vor der Dekotierung zu veräussern. Anstelle eines ausserbörslichen Handels nach erfolgter Dekotierung begünstigen die neuen Dekotierungsvorschriften somit eine Reduktion des Free Float und Bereinigung der Beteiligungsverhältnisse vor der Dekotierung.

Neu haben die Aktionäre zudem die Möglichkeit, die Frist zwischen der Ankündigung der Dekotierung und dem letzten Handelstag anzufechten und dadurch eine angemessene Frist zur Veräusserung ihrer Aktien zu erwirken. Für das Unternehmen bedeutet diese neue Anfechtungsmöglichkeit allerdings eine Beeinträchtigung der Planungssicherheit und damit eine Verteuerung des Dekotierungsverfahrens.

Abgesehen von der Ansetzung einer angemessenen Aufrechterhaltungsfrist hat die SIX auch unter den neuen Dekotierungsvorschriften keine Handhabe, die Reduktion des Free Float vor einer Dekotierung zu erzwingen. Häufig hat jedoch das Unternehmen selbst oder ein allfällig vorhandener Mehrheitsaktionär ein Interesse daran, den Streubesitz vor der Dekotierung zu reduzieren und damit für übersichtlichere Beteiligungsverhältnisse zu sorgen. Hierzu kann das Unternehmen in Vorbereitung der Dekotierung ein Rückkaufprogramm durchführen oder der Mehrheitsaktionär kann ein öffentliches Kaufangebot zum Auskauf der Publikumsaktionäre lancieren.

Zunahme an Dekotierungen erwartet
Wir rechnen in den nächsten Jahren mit einer zunehmenden Zahl von Going Private Transaktionen. Für viele kotierte Unternehmen stellt sich die Frage, ob die gestiegenen Kosten des "Staying Public" weiterhin durch den Nutzen einer Kotierung gerechtfertigt sind. Die neuen Vorschriften gegen übermässige Vergütungen, die verschärften Regeln zum Insiderhandel, ein striktes Ad hoc-Regime und die absehbare Segmentberichterstattung unter Swiss GAAP FER sind nur einige Beispiele für eine markant gestiegene Regelungsdichte.

Insbesondere Unternehmen mit einer geringen Börsenkapitalisierung und/oder einem vergleichsweise tiefen Gewinnniveau dürften einen Rückzug von der Börse prüfen, da bei diesen Unternehmen die Eigenmittelbeschaffung erschwert ist bzw. die Kosten der Börsenkotierung die Erfolgsrechnung überproportional stark belasten.

Autoren

Dr. Robert Bernet, LL.M.
Dr. Robert Bernet, LL.M.

rbernet@vischer.com

Dr. Matthias Glatthaar, LL.M.
Dr. Matthias Glatthaar, LL.M.

mglatthaar@vischer.com

VISCHER AG