Inkrafttreten neues Insiderrecht 1. Mai 2013

Praxisankündigung der FINMA

Das neue Insiderrecht wird am 1. Mai 2013 in Kraft treten. Zu verschiedenen noch offenen Auslegungsfragen kündigt die FINMA ihre Praxis mittels Revision des Rundschreibens 08/38 "Marktverhaltensregeln" an. Dessen Entwurf – samt Erläuterungsbericht – liegt nun vor. Die Anhörungsfrist läuft am 13. Mai 2013 ab; das Inkrafttreten des revidierten Rundschreibens ist für den 1. August 2013 geplant. Im Folgenden bezeichnen wir den Entwurf als "RS-Entwurf".
 

1. WESENTLICHE KLARSTELLUNGEN ZUR DEFINITION DER "INSIDERINFORMATION"

Das neue Insiderrecht setzt stets eine "Insiderinformation" voraus, die es definiert als "vertrauliche Information, deren Bekanntwerden geeignet ist, den Kurs von Effekten, die an einer Börse oder eine börsenähnlichen Einrichtung in der Schweiz zum Handel zugelassen sind, erheblich zu beeinflussen."

An dieser Definition ist unklar, ob der Informationsbegriff auch unternehmensexterne Information einschliesst, also Information, deren Ursprung ausserhalb des Emittenten liegt, ihn aber betrifft. Weiter ist unklar, anhand welcher Kriterien die Kurserheblichkeit zu beurteilen ist. Gemäss RS-Entwurf will die FINMA dazu die folgende Praxis einschlagen:

  • Sie will unternehmensexterne Information in den Informationsbegriff einschliessen. Als Beispiele nennt sie: Das Wissen um eine zu publizierende Finanzanalyse, um eine zu erteilende oder zu verweigernde Zulassung oder Genehmigung und - etwas skurril - um einen geplanten Terroranschlag. Als weiteres Beispiel nennt die FINMA ausdrücklich auch die Kenntnis grosser Kundenaufträge, um klarzustellen, dass sie auch das Frontrunning erfassen will, also die Unsitte von Vermögensverwaltern und Anlageberatern, vor Ausführung grosser Kundenaufträge auf eigene Rechnung in den betreffenden Effekten zu handeln.

    Damit definiert die FINMA die relevante vertrauliche Information für das Insiderrecht weiter als die SIX-Exchange Regulation für das Ad-Hoc Publizitätsrecht. Gemäss Praxis der SIX-Exchange Regulation ist unternehmensexterne Information grundsätzlich (also vorbehaltlich gewisser Ausnahmen) nicht ad-hoc publizitätspflichtig.
     
  • Die Kurserheblichkeit der vertraulichen Information will die FINMA anhand der Frage beurteilen, ob deren Bekanntgabe das Anlageverhalten eines durchschnittlichen Marktteilnehmers zu beeinflussen vermöchte. Damit schliesst sie sich für das Insiderrecht der Praxis der SIX-Exchange Regulation im Ad Hoc – Publizitätsrecht an. Auch im Insiderrecht soll somit nicht nach der Höhe des potentiellen Kursausschlags (z.B. mind. 5% oder 10%) gefragt werden.
     


2. WESENTLICHE KLARSTELLUNGEN ZU DEN AUFSICHTSRECHTLICHEN INSIDERTATBESTÄNDEN

Begriff "Abgeleitetes Finanzinstrument"

Das neue Insiderrecht erfasst als Tatobjekt neben den in der Schweiz börsenkotierten Effekten auch die davon abgeleiteten Finanzinstrumente. Der RS-Entwurf macht klar, dass die FINMA darunter in Übereinstimmung mit den Erläuterungen des Bundesrates in der Botschaft zum neuen Recht auch nicht standardisierte OTC-Produkte erfassen will und zudem nicht darauf abstellen wird, ob abgeleitete Finanzinstrumente im Inland oder im Ausland und börslich oder ausserbörslich zum Einsatz gelangen. Entscheidend ist somit einzig, dass sie aus in der Schweiz kotierten Effekten abgeleitet sind.

Den Begriff "Finanzinstrument" definiert der RS-Entwurf allerdings bedauerlicherweise (noch) nicht; möglicherweise führt das Anhörungsverfahren hierzu noch zu einem Nachtrag. Einstweilen wird aber vorsichtigerweise davon auszugehen sein, dass auch Bestätigungen über die Einräumung nicht handelbarer Aktienanwartschaften unter langfristigen Kaderbeteiligungsprogrammen als "abgeleitete Finanzinstrumente" qualifizieren.

Stornierungen

Wie schon das geltende Insiderrecht können Insiderverstösse auch im neuen Insiderrecht grundsätzlich nicht durch Unterlassung begangen werden. Der RS-Entwurf stellt dazu klar, dass die FINMA die Stornierung eines insiderfrei platzierten Handelsauftrags gestützt auf nachträglich erfahrene Insiderinformationen als Tathandlung ahnden will, auch wenn die in Auftrag gegebene Transaktion im Ergebnis unterlassen wird.

Tippnehmer

Wie im geltenden Insiderrecht wird auch im neuen Insiderrecht der Tippnehmer durch die Mitteilung von Insiderinformationen (Tipp) zum Insider. Gemäss RS-Entwurf will die FINMA auch eine öffentliche Anlageempfehlung für kotierte Effekten oder daraus abgeleitete Finanzinstrumente als Insiderinformation betrachten, sobald ihr Empfänger wusste oder wissen musste, dass sich die Empfehlung auf eine Insiderinformation stützt. Dadurch wird der Empfänger selber zum Insider, und zwar selbst dann, wenn ihm der Inhalt der betreffenden Insiderinformation unbekannt ist.

Scalping

Das neue Insiderrecht ahndet neben dem Insiderhandel und dem Insidertipp neu auch die Abgabe öffentlicher Anlageempfehlungen für in der Schweiz kotierte Effekten oder für daraus abgeleitete Finanzinstrumente gestützt auf Insiderinformation.

Gemäss RS-Entwurf will die FINMA auch die Abgabe öffentlicher Anlageempfehlungen, die sich nicht auf eine Insiderinformation stützen, als verbotenen Insiderhandel des Empfehlenden werten, wenn sie den Kurs der empfohlenen Effekten erheblich beeinflussen und der Empfehlende selber in den empfohlenen Effekten investiert ist oder damit zu handeln beabsichtigt, ohne dies offenzulegen (sog. Scalping). Diese Auslegung fände allerdings im neuen Recht keine Stütze, wenn der Eigenbesitz oder die eigene Handelsabsicht des Empfehlenden nicht als Insiderinformation qualifiziert (etwa, weil darin keine erhebliche Kursrelevanz liegt); diesfalls wäre ja bei solchen Sachverhalten überhaupt keine Insiderinformation im Spiel.

Autor

Dr. Felix W. Egli
Dr. Felix W. Egli, LL.M.

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