Neue Verjährungsfristen

Die revidierten Verjährungsbestimmungen im Kauf- und Werkvertragsrecht

1. Einleitung
Am 1. Januar 2013 sind die neuen Verjährungsfristen für die Sachmängelgewährleistung im Kauf- und Werkvertragsrecht in Kraft getreten. Neben der Verlängerung der ordentlichen gesetzlichen Verjährungsfrist der Mängelrechte, wird nach dem neuen Recht auch dem Konsumentenschutz Rechnung getragen. Des Weiteren war der Gesetzgeber bestrebt, die Verjährungsvorschriften des Kauf- mit jenen des Werkvertragsrechts zu koordinieren.


2.  Die neuen Verjährungsfristen
Beim Kauf von beweglichen Sachen beträgt die ordentliche gesetzliche Verjährungsfrist statt wie bisher ein Jahr neu zwei Jahre (Art. 210 Abs. 1 OR). Eine entsprechende Regelung sieht das Werkvertragsrecht in Bezug auf ein bewegliches Werk vor: die Gewährleistungsrechte aus Werkvertrag verjähren ebenfalls nach zwei Jahren (Art. 371 Abs. 1 Satz 1 OR). Die Frist beginnt mit der Ablieferung der Kaufsache bzw. des Werkes anzulaufen. Im Falle des Kaufes einer Liegenschaft oder der Bestellung eines unbeweglichen Werkes beträgt die Verjährungsfrist nach wie vor fünf Jahre seit Erwerb des Eigentums bzw. seit Abnahme des Werkes.

Gänzlich neu ist die Bestimmung in Art. 210 Abs. 2 OR, wonach die Gewährleistungsfrist fünf Jahre beträgt, sofern Mängel einer gekauften Fahrnissache, die bestimmungsgemäss in ein unbewegliches Werk integriert worden ist, die Mangelhaftigkeit des Werkes verursacht haben. Der Begriff der Bestimmungsmässigkeit verlangt die Verwendung der Fahrnissache gemäss dem üblichen oder dem zwischen den Vertragsparteien vereinbarten Verwendungszweck. Der Mangel der beweglichen Sache (bspw. Backsteine, Fenster, Beton oder auch Maschinen u. dgl.) muss zudem ursächlich oder zumindest mitursächlich für die Mangelhaftigkeit des unbeweglichen Werkes gewesen sein. Die Fünfjahresfrist findet auch auf die vorgelagerten Kaufverträge Anwendung, sofern die Tatbestandsvoraussetzungen jeweils erfüllt sind.

Ähnlich sieht Art. 371 Abs. 1 Satz 2 OR eine fünfjährige Gewährleistungsfrist vor, wenn Mängel eines beweglichen Werkes, das bestimmungsgemäss in ein unbewegliches Werk integriert worden ist, die Mangelhaftigkeit des unbeweglichen Werkes verursacht haben. Auch hier gilt die neue Frist grundsätzlich für alle vorangegangenen Werkverträge.

Das gesetzgeberische Ziel von Art. 210 Abs. 2 bzw. Art. 371 Abs. 1 Satz 2 OR war es, die Bestimmungen über die Verjährungsfristen bei einer gekauften Fahrnissache bzw. einem beweglichen Werk mit jenen für ein unbewegliches Werk zu koordinieren: Nach altem Recht konnte der Hersteller eines unbeweglichen Werkes für die Mangelhaftigkeit desselben vom Besteller während fünf Jahren seit Abnahme in Anspruch genommen werden, während er selbst auf seine Lieferanten und Subunternehmer lediglich während eines Jahres Rückgriff nehmen konnte. Neu stehen die Gewährleistungsrechte auch dem Werkunternehmer während fünf Jahren zur Verfügung. Da die Verjährungsfrist für die integrierte mangelhafte Kaufsache oder das integrierte unbewegliche Werk allerdings bereits mit dessen Ablieferung, diejenige für das unbewegliche Werk aber erst mit dessen Abnahme zu laufen beginnt, ist das gesetzgeberische Ziel der Fristenkoordination nur unvollständig erreicht worden.

3. Verkürzung und Ausschluss der Gewährleistung
Der neue Art. 210 Abs. 4 OR sieht vor, dass eine vertragliche Verkürzung der Verjährungsfrist ungültig ist, wenn sie (1.) weniger als zwei Jahre bzw. bei gebrauchten Sachen weniger als ein Jahr beträgt, (2.) die Sache für den persönlichen oder familiären Gebrauch bestimmt ist und (3.) der Verkäufer im Rahmen seiner beruflichen oder gewerblichen Tätigkeit handelt. Aufgrund des Verweises in Art. 221 OR findet die Schutzbestimmung in Art. 210 Abs. 4 OR auch im Bereich des Grundstückkaufs Anwendung. Die Norm bezweckt den Schutz von Konsumenten und Konsumentinnen und gilt im B2C-Vertragsverhältnis. Folglich ist im gewerblichen Vertragsbereich (B2B) eine Verkürzung der Verjährungsfristen auf weniger als zwei Jahre bzw. ein Jahr nach wie vor zulässig.

Art. 199 OR lässt sodann auch einen völligen Ausschluss der Gewährleistungsrechte zu, sofern ein Mangel nicht absichtlich verschwiegen worden ist. Eine Wegbedingung der Gewährleistung ist daher auch im Bereich der Konsumentenverträge grundsätzlich zulässig.

4. Besonderheit: Garantie
Fraglich ist die Bedeutung der revidierten Verjährungsbestimmungen auf eine vertraglich vereinbarte Garantie. In der Praxis werden die Gewährleistungsrechte häufig wegbedungen und durch eine Garantie (sog. Verkäufer- oder Herstellergarantie) ersetzt. Der Verkäufer verspricht dabei, nicht nur für die Mangelfreiheit der Kaufsache bei Gefahrübergang einzustehen, sondern auch dafür, dass während der Garantiedauer kein Mangel auftritt. Aufgrund des Konsumentenschutzgedankens in Art. 210 Abs. 4 OR stellt sich nun die Frage, ob die Vereinbarung einer Garantiefrist unter zwei Jahre bzw. ein Jahr noch zulässig ist. Die Antwort auf diese Frage kann zu diesem Zeitpunkt nicht zweifelsfrei geklärt werden. Da jedoch Art. 199 OR einen völligen Gewährleistungsausschluss grundsätzlich zulässt, ist nicht einzusehen, weshalb für die Wegbedingung zugunsten einer Garantie etwas anderes gelten soll. Gemäss der hier vertretenen Ansicht ist die Vereinbarung einer Garantie unter Wegbedingung der gesetzlichen Gewährleistung daher als grundsätzlich zulässig zu erachten. Einschränkungen bestehen unter Umständen aufgrund von Art. 8 UWG, wenn die Wegbedingung in AGB vereinbart wurde.

5. Übergangsrechtliche Fragen
Hinsichtlich der übergangsrechtlichen Regelung sind die Schlusstitel des ZGB zum intertemporalen Privatrecht heranzuziehen. Bereits vor dem Inkrafttreten des neuen Rechts verjährte Ansprüche leben nicht wieder auf. Ist die Verjährung am 1. Januar 2013 aber noch nicht eingetreten, so gilt ab diesem Zeitpunkt das neue Recht (Art. 49 Abs. 3 SchlT ZGB) und die Frist beginnt neu zu laufen (Art. 49 Abs. 2 SchlT ZGB). Kaufverträge, die also der ordentlichen gesetzlichen Verjährungsfrist gemäss Art. 210 Abs. 1 OR unterliegen, verjähren neu nach zwei Jahren, also am 1. Januar 2015. Dauert die neue Frist fünf Jahre (vgl. Art. 210 Abs. 2 und Art. 371 Abs. 1 Satz 2 OR), beginnt gemäss Art. 49 Abs. 1 SchlT ZGB die Fünfjahresfrist ebenfalls neu zu laufen, die bereits abgelaufene Frist wird allerdings an die neue Verjährung angerechnet. Bei Unterbrechung einer Verjährung nach dem 1. Januar 2013, beginnt die neu-rechtliche Frist von neuem anzulaufen.

Wurde die Verjährungsfrist unter dem alten Recht vertraglich verkürzt, so ist zu unterscheiden: Liegt eine vertragliche B2B-Situation vor, so hat die neue gesetzliche Frist keinen Einfluss auf die vereinbarte Verjährungsfrist und läuft nach dem 1. Januar 2013 einfach weiter. Namentlich beginnt die Frist auch mit Inkrafttreten des neuen Rechts nicht neu zu laufen. Im Falle eines Konsumentenvertrages ist allerdings Art. 210 Abs. 4 OR zu beachten. Aufgrund des Schutzgedankens scheint es sachgerecht, die vertragliche Verjährungsverkürzung als ungültig zu qualifizieren. Die Frist läuft in diesem Fall grundsätzlich weiter, verlängert sich aber auf die zwingende Mindestfrist von zwei Jahren bzw. einem Jahr.

Autoren

Dr. Roland Müller
Dr. Roland M. Müller, LL.M.

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Dania Schneider
lic.iur. Dania Schneider

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