Minder-Initiative

Initiative "gegen die Abzockerei" angenommen

Das Stimmvolk hat heute wie erwartet die Volksinitiative gegen die Abzockerei (Minder-Initiative) deutlich angenommen.

1. Was geschieht als nächstes?
Die neue Verfassungsbestimmung ist nicht unmittelbar anwendbar, sondern muss zuerst vom Parlament auf Gesetzesstufe umgesetzt werden. Gemäss Initiativtext hat der Bundesrat für die Übergangszeit bis zum Inkrafttreten des Gesetzes spätestens bis 3. März 2014 die erforderlichen Ausführungsbestimmungen zu erlassen. Damit werden die neuen Bestimmungen wohl frühestens für das Geschäftsjahr 2015 gelten und die Statuten frühestens an der Generalversammlung 2015 anzupassen sein. Wir gehen davon aus, für die Umsetzung werde soweit möglich der schon fertig ausformulierte indirekte Gegenvorschlag als Grundlage genommen.

2. Wen betrifft es?
Betroffen sind Aktiengesellschaften mit Sitz in der Schweiz, die an einer Börse in der Schweiz oder im Ausland kotiert sind, sowie Schweizerische Pensionskassen. Nicht kotierte Schweizerische Aktiengesellschaften und ausländische Gesellschaften mit Kotierung in der Schweiz sind nicht betroffen.

3. Auswirkungen auf kotierte Gesellschaften
Anpassung der Statuten
Die Statuten müssen den neuen zwingenden Vorgaben der Initiative entsprechen. Das betrifft insbesondere folgende Bereiche:

  • Wahlen des Verwaltungsratspräsidenten, der andern Verwaltungsräte, der Mitglieder des Vergütungsausschusses und des unabhängigen Stimmrechtsvertreters haben künftig jährlich und für jeden Kandidaten separat stattzufinden.
  • Organ- und Depotvertretung sind nicht mehr zulässig.
  • Neu gehört zu den Kompetenzen der Generalversammlung die verbindliche Abstimmung über die Gesamtsumme der Vergütungen der Organmitglieder (Verwaltungsrat, Geschäftsleitung, Beirat).
  • Die Höhe der Kredite, Darlehen und Renten an die Organmitglieder, deren Erfolgs- und Beteiligungspläne und deren Anzahl Mandate ausserhalb des Konzerns sowie die Dauer der Arbeitsverträge der Geschäftsleitungsmitglieder sind künftig statutarisch zu regeln.

Verträge mit Organmitgliedern
Die Verträge mit den Organmitgliedern (seien es Mandats-, Arbeits-, Berater- oder sonstige Verträge) werden an die geänderten gesetzlichen und statutarischen Vorgaben anzupassen sein. Verboten sind Abgangs- oder andere Entschädigungen, Vergütungen im Voraus sowie Prämien für Firmenkäufe und -verkäufe. Auch dürfen Organmitglieder keine zusätzlichen Berater- oder Arbeitsverträge mit weiteren Konzerngesellschaften haben. Noch offen ist, was für Verträge gilt, die vor Inkrafttreten der Ausführungserlasse abgeschlossen wurden.

Änderungen bei der Generalversammlung
Änderungen ergeben sich beim Ablauf und den Traktanden an der Generalversammlung:

  • Die Generalversammlung hat jährlich über die Gesamtsumme aller Vergütungen der Organmitglieder abzustimmen. Offen ist, was bei einem "Nein" der Aktionäre geschehen soll.
  • Die Online-Generalversammlung wird zwingend angeboten werden müssen. Dabei werden die Aktionäre künftig elektronisch fernabstimmen können.

4. Auswirkungen auf Pensionskassen
Pensionskassen müssen das Stimmrecht an kotierten Schweizer Aktiengesellschaften im Interesse der Versicherten ausüben und ihr Abstimmungsverhalten offenlegen. Pensionskassen haben sich rechtzeitig zu überlegen, wie sie diesen Pflichten nachkommen wollen. Insbesondere haben sie zu prüfen, ob sie die Stimmabgabe delegieren wollen. Hierfür spezialisierte Dienstleister werden voraussichtlich bald am Markt auftreten.

5. Was ändert sich sonst noch?
Die Minder-Initiative sieht drastische Sanktionen vor: Widerhandlungen werden mit Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren und Geldstrafe bis zu sechs Jahresvergütungen bestraft.

6. Unmittelbarer Handlungsbedarf
Den börsenkotierten Gesellschaften empfehlen wir, rasch ihr Vergütungssystem anzupassen. Damit können sie das neue System als Probelauf noch vor Inkrafttreten der neuen Regeln prüfen. Sinnvollerweise berücksichtigen auch alle neu geschlossenen Verträge mit Organmitgliedern bereits jetzt das neue Recht. Im Übrigen sind für die Umsetzung die Ausführungsbestimmungen des Bundesrats bzw. die hoffentlich vom Parlament innert nützlicher Frist verabschiedeten neuen Gesetzesbestimmungen abzuwarten.

Autoren

Dr. Benedict F. Christ
Dr. Benedict F. Christ, LL.M.

bfchrist@vischer.com

Dr. Peter Kühn
Dr. Peter Kühn, LL.M.

pkuehn@vischer.com

VISCHER AG