Neue Verordnung zur Arbeitszeiterfassung

Der Bundesrat lockert die Regeln für die Pflicht zur Arbeitszeiterfassung

Am 4. November 2015 hat der Bundesrat die Anpassung der Bestimmungen zur Arbeitszeiterfassung beschlossen. Neu sind Unternehmen in Bezug auf Arbeitnehmende mit einem Bruttoeinkommen von über CHF 120'000 von der Arbeitszeiterfassungspflicht befreit, soweit dies in einem Gesamtarbeitsvertrag (GAV) vorgesehen ist und den Arbeitnehmenden eine weitgehende Zeitautonomie hinsichtlich ihrer Arbeit zukommt. Aber auch für weniger gut verdienende, aber dennoch autonome Arbeitnehmende, sieht der Bundesrat Lockerungen bei der Pflicht zur Arbeitszeiterfassung vor.

Die Revision soll eine administrative Entlastung der Unternehmen bewirken. Es ist vorläufig geplant, dass die Verordnung am 1. Januar 2016 in Kraft tritt.

1. Gänzlicher Verzicht auf die Arbeitszeiterfassung nur bei GAV möglich

Art. 73a ArGV 1 führt die Möglichkeit ein, auf der Grundlage eines GAVs auf die Arbeitszeiterfassung zu verzichten. Dies ist für Arbeitnehmer möglich, welche über eine grosse Autonomie bei ihrer Arbeit verfügen, ihre Arbeitszeiten mehrheitlich selber festsetzen können und zusätzlich ein Bruttojahreseinkommen von über CHF 120'000, inklusive Boni, erhalten.

Gemäss dem Bericht des SECO müssen solche Arbeitnehmer mindestens 50% ihrer Arbeitszeit frei bestimmen können. Zusätzlich zur individuellen Verzichtserklärung jedes betroffenen Arbeitnehmers muss die Möglichkeit zum Verzicht auf die Pflicht zur Arbeitszeiterfassung im GAV ausdrücklich vorgesehen sein. Der Arbeitgeber hat sich ferner dazu zu verpflichten, eine interne Anlaufstelle für Fragen zu den Arbeitszeiten zu bezeichnen und ein Verzeichnis der Arbeitnehmer zu führen, die auf die Arbeitszeiterfassung verzichtet haben. Der Verzicht des Arbeitnehmers auf die Arbeitszeiterfassung ist nicht endgültig und kann jährlich widerrufen werden.

2. Vereinfachte Arbeitszeiterfassung

Für Arbeitnehmer, welche einen namhaften Teil – laut SECO mindestens 25% – ihrer Arbeitszeit frei bestimmen können, sieht Art. 73b ArGV 1 neu die Möglichkeit der vereinfachten Arbeitszeiterfassung vor. Demnach muss lediglich die Gesamtdauer der täglich geleisteten Arbeit dokumentiert werden. Bei Nacht- und Sonntagsarbeit zusätzlich Beginn und Ende des Arbeitseinsatzes.

Die Einführung der vereinfachten Arbeitszeiterfassung bedarf keines GAV. Eine entsprechende kollektive Vereinbarung kann zwischen dem Arbeitgeber und der Arbeitnehmervertretung bzw., wenn eine solche fehlt, mit der Mehrheit der Arbeitnehmenden getroffen werden.

In Unternehmen mit weniger als 50 Arbeitnehmern kann die vereinfachte Arbeitszeiterfassung auch individuell vereinbart werden. In diesem Fall verlangt die Verordnung die Dokumentation eines Endjahresgesprächs zur Arbeitsbelastung mit dem jeweiligen Arbeitnehmer.

Die Vereinbarung über die vereinfachte Arbeitszeiterfassung muss in jedem Fall Bestimmungen zur Einhaltung der gesetzlichen Arbeits- und Ruhezeiten enthalten. Die kollektive Vereinbarung muss zusätzlich ein paritätisches Verfahren festlegen, mit dem die Einhaltung der Vereinbarung überprüft wird.

3. Würdigung der neuen Regelungen

Die Lockerung der Regeln zur Erfassung der Arbeitszeiten ist zu begrüssen. Die neuen Bestimmungen sind eine längst überfällige Reaktion auf die Entwicklungen der Arbeitswelt, die vermehrt zeitlich und örtlich flexible Rahmenbedingungen bietet. Um die entstandene Diskrepanz zwischen den strikten Anforderungen der Arbeitszeiterfassung und der Realität des Arbeitsalltags zu beheben, war die Einführung flexiblerer Modalitäten zur Arbeitszeiterfassung unumgänglich. Allerdings sind die in der vorliegenden Verordnung vorgesehenen Auflagen erheblich.

Aufgrund der zu erfüllenden Auflagen werden die Ausnahmen nur auf eine beschränkte Gruppe von Arbeitnehmenden Anwendung finden. Laut Bundesratsschätzung dürften weniger als 10% der Arbeitnehmenden die Auflagen tatsächlich erfüllen. Für den Grossteil der Unternehmen bleibt somit der Grundsatz der Pflicht der Arbeitszeiterfassung von Art. 46 ArG bestehen. Zudem muss davon ausgegangen werden, dass die Einhaltung der Pflicht zur Erfassung der Arbeitszeiten künftig vermehrt geprüft wird.

Autoren

lic. iur. Marc Ph. Prinz, LL.M.
lic. iur. Marc Ph. Prinz, LL.M.

mprinz@vischer.com

Nicole Brauchli-Jageneau, M.A. HSG in Law and Economics, LL.M.
Nicole Brauchli-Jageneau, M.A. HSG in Law and Economics, LL.M.

nbrauchli@vischer.com

Dr. Sara Ianni
Dr. Sara Ianni

sianni@vischer.com

VISCHER AG