Revision des Börsengesetzes

Neues Insiderstrafrecht

Mit der Revision des Börsengesetzes wird der Straftatbestand des Insiderhandels vom Strafgesetzbuch ins Börsengesetz überführt, umfassend revidiert und an internationale Standards angepasst. Die neuen Bestimmungen werden voraussichtlich am 1. April 2013 in Kraft treten.

1. Ausdehnung des Kreises von Primärinsidern und Einbezug von Zufallsinsidern

Sowohl das geltende wie das neue Insiderstrafrecht sehen einen hohen Strafrahmen für die sogenannten "Primärinsider" und einen geringeren Strafrahmen für deren Tippnehmer – die sogenannten "Sekundärinsider" – vor. Primärinsider werden mit einer Freiheitsstrafe bis zu 3 Jahren bzw. bei Vermögensvorteilen über CHF 1 Mio. neu bis zu 5 Jahren oder Geldstrafe bestraft. Sekundärinsider unterstehen einer Freiheitsstrafe bis 1 Jahr oder einer Geldstrafe.

Nach geltendem Recht ist der Kreis der Primärinsider eng beschränkt auf Organpersonen einer Aktiengesellschaft (Verwaltungsrat, Revisionsstelle, Geschäftsleitung), Beamte und Behördenmitglieder sowie jeweils deren Hilfspersonen. Wer keine dieser Eigenschaften aufweist, kann von der geltenden Insiderstrafnorm nur als Sekundärinsider, also nur als Tippnehmer eines Primärinsiders erfasst werden. Dabei gilt nicht als Sekundärinsider, wer eine Insiderinformation bloss zufällig aufschnappt (etwa durch eine fehlgeleitete E-Mail oder Mithören eines Gesprächs); solche "Zufallsinsider" werden vom geltenden Insiderstrafrecht nicht erfasst. 

Das neue Insiderstrafrecht erweitert nun zunächst den Kreis der Primärinsider auf jedermann, der - gleich in welcher Eigenschaft - bestimmungsgemässen Zugang zu einer Insiderinformation hat. Neu kommen daher als Primärinsider insbesondere auch Mitarbeiter unterhalb der obersten Führungsebene eines Unternehmens in Betracht, die aufgrund ihrer Tätigkeit oder Position mit Insiderinformation zu tun haben (etwa Mitarbeiter der M&A-Abteilung oder des Rechtsdienstes, der Finanzabteilung, der Forschungsabteilung etc.), aber auch Berater, Aktionäre und Akteure der Finanzindustrie (z.B. Analysten und Mitarbeiter von Ratingagenturen, die bestimmungsgemässen Zugang zu Insiderinformationen haben). Sodann wird auch der Kreis der Sekundärinsider ausgedehnt. Waren es bisher nur Tippnehmer von Primärinsidern, sind es neu auch Personen, die sich Insiderinformationen durch ein Verbrechen oder ein Vergehen verschaffen. Und schliesslich werden neu auch Zufallsinsider erfasst, wenn auch mit einem verhältnismässig geringen Strafrahmen (Busse bis CHF 10'000). 

Juristische Personen gehören nach wie vor grundsätzlich nicht zum Täterkreis, es sei denn, dass die Tat eines nicht eruierbaren Täters wegen mangelhafter interner Organisation seiner Arbeitgeberin zugerechnet wird (Art. 102 StGB). Dies könnte etwa dann der Fall sein, wenn feststeht, dass ein Tippnehmer die betreffende Insiderinformation nur von einem Primärinsider einer bestimmten Abteilung oder eines bestimmten Gremiums erhalten haben kann, dieser aber aufgrund mangelhafter Organisation nicht identifizierbar ist.

2. Erweiterung des Begriffs der Insiderinformation

Mit der Verwendung des Begriffs "Insiderformation" passt sich das Insiderstrafrecht neu der Terminologie der EU an. Als Insiderinformation gilt jede vertrauliche Information, deren Bekanntwerden geeignet ist, den Kurs von Effekten, die an einer Börse oder an einer börsenähnlichen Einrichtung in der Schweiz zum Handel zugelassen sind, erheblich zu beeinflussen. Die Insiderinformation muss sich neu aber nicht mehr unbedingt auf das kotierte Unternehmen beziehen; laut Botschaft des Bundesrates zum neuen Gesetz scheinen selbst kursrelevante vertrauliche Informationen, die ihren Ursprung gänzlich ausserhalb des kotierten Unternehmens haben, neu als Insiderinformationen zu gelten (bspw. branchenrelevante Grundsatzentscheide von Behörden oder Auffinden neuer oder Versiegen bestehender Rohstoffquellen). Wie schon bisher ist es auch unter dem neuen Recht nicht erforderlich, dass die Insiderinformation für das Unternehmen kursrelevant ist, in dem der Insider arbeitet; auch wer im Rahmen seiner Funktion oder Tätigkeit etwa erfährt, dass seine Arbeitgeberin mit einer in der Schweiz börsenkotierten Firma vor dem Abschluss eines nur für letztere kursrelevanten Vertrages steht, ist Insider.

3. Ausdehnung der Insider-Tathandlung

Die Tathandlungen des bisherigen Rechts bleiben auch in Zukunft strafbar. Neu ist aber auch schon die blosse, auf Insiderinformationen gestützte Empfehlung des Primärinsiders zum Handel mit in der Schweiz kotierten Effekten ein strafbares Insiderdelikt, selbst wenn er dabei dem Dritten seine Insiderinformation nicht offenlegt. Ausserdem kann ein Insiderdelikt neu auch mit Transaktionen in sämtlichen Derivaten von in der Schweiz kotierten Effekten begangen werden, also insbesondere auch mit kotierten, nicht standardisierten OTC-Produkten. Das geltende Recht erfasst von den Derivaten nur Optionen.

4. Qualifikation als Vortat zur Geldwäscherei

Neu wird der Strafrahmen für Primärinsider von drei auf fünf Jahre Freiheitsstrafe ausgedehnt, wenn sie mit dem Insiderdelikt einen Vermögensvorteil von über CHF 1 Mio. erzielen (sogenanntes "qualifiziertes Insiderdelikt"). Damit wird das qualifizierte Insiderdelikt ein Verbrechen  und mithin neu eine Vortat zur Geldwäscherei.

5. Neue Zuständigkeit zur Strafverfolgung

Neu werden Widerhandlungen gegen das Insiderverbot von der Bundesanwaltschaft verfolgt und durch das Bundesstrafgericht und schliesslich durch das Bundesgericht entschieden. Die Zuständigkeit der kantonalen Behörden und Gerichte entfällt.

6. Erweiterter Anwendungsbereich aufsichtsrechtlicher Sanktionen

Gleichzeitig mit dem Insiderstrafrecht wird auch der Anwendungsbereich des FINMA – Aufsichtsverfahrens ausgedehnt. Neu kann die FINMA nicht nur gegenüber den Beaufsichtigten vorgehen (etwa Banken, Fondsleitungen und Effektenhändler), sondern gegenüber allen Marktteilnehmern, die eines Insiderdelikts verdächtigt werden, wobei es im aufsichtsrechtlichen Verfahren – anders als im Strafprozess – weder auf das Verschulden noch auf einen Vermögensvorteil ankommt. Aufsichtsrechtliches und strafrechtliches Verfahren können parallel erfolgen, doch wird erwartet, dass das aufsichtsrechtliche Verfahren in der Regel vorgezogen wird, weil es rascher zu Ergebnissen führen dürfte als das Strafverfahren. Gegenüber Nicht-Beaufsichtigten stehen der FINMA als Sanktionsinstrumentarium die Feststellungsverfügung, deren Veröffentlichung und die Gewinneinziehung zur Verfügung, gegenüber den Beaufsichtigten nach wie vor auch das ganze weitere Sanktionsinstrumentarium (Berufsverbot, Bewilligungsentzug, Tätigkeitsverbot).


Empfehlungen

Kotierte Unternehmen werden für Insiderdelikte ihrer Organe und Mitarbeiter zwar weiterhin nicht strafrechtlich zur Verantwortung gezogen werden, solange die Täter eruierbar sind. Allerdings ist zu erwarten, dass die FINMA neu ein Aufsichtsverfahren über solche Unternehmen eröffnen wird. Dazu kommt, dass Insiderfälle auch in Zukunft häufig dazu führen werden, dass die Börse (SIX) prüft, ob das Unternehmen seine ad hoc-Meldepflichten erfüllt hat.

Konkret ist daher zu empfehlen, die Mitarbeiter über die Verschärfung des Insiderstrafrechts, insbesondere über die Ausdehnung des Primärinsiderkreises und die Ausdehnung der Tathandlungen, rechtzeitig zu informieren und Insiderreglemente, Codes of Conduct, Compliance Manuals und allfällige Instruktionen, die mit dem Arbeitsvertrag abgegeben wurden, entsprechend anzupassen. Wo kotierte Unternehmen Sperrzeiten für den Aktienhandel nach Bilanzstichtagen vorsehen, sollte geprüft werden, ob der in der Regel auf wenige Personen beschränkte Adressatenkreis im Hinblick auf das neue Insiderstrafrecht zu erweitern wäre. Ohne solche Anpassungen der Mitarbeiterinformation bzw. internen Reglemente läuft ein kotiertes Unternehmen die Gefahr, dass sich seine Mitarbeiter zur Rechtfertigung von nur nach neuem Recht strafbarem Verhalten auf die überholten Reglemente und Instruktionen des Unternehmens berufen.

Die dem Geldwäschereigesetz unterstellten Finanzintermediäre sollten die wirtschaftlichen Hintergründe und den Zweck einer Transaktion oder einer Geschäftsbeziehung abklären, wenn sie ihnen ungewöhnlich erscheint und insbesondere der Verdacht besteht, dass sie aus einem Insiderhandel herrührt.

 

Autoren

Dr. Robert Bernet, LL.M.

Advokat
rbernet@vischer.com

Dr. Felix W. Egli
Dr. Felix W. Egli, LL.M.

Rechtsanwalt
fegli@vischer.com

VISCHER AG